Mika Kaurismäki: "The Girl King", Historienfilm
Mika Kaurismäki, der ältere Bruder des Kultregisseurs Aki Kaurismäki, hat die rätselhafte schwedischen Königin Kristina und ihre Liebe zu Frauen in den Mittelpunkt seines großartig bebilderten Historienfilms gestellt. Großes Kinovergnügen samt Geschichtsunterricht. Doch nicht alles was Kaurismäki erzählt, muss auch geglaubt werden.
Kristina, zehn Jahre lang Königin von Schweden (1626–1689), mit 28 hat sie auf den Thron verzichtet, ist zum Katholizismus übergetreten und hat bis zu ihrem Tod in Rom gelebt. Sie war erst fünf Jahre alt als ihr Vater, König Gustav II. Adolf, in der Schlacht bei Lützen fiel. Die Mutter war depressiv und wollte sich um das Kind nicht kümmern. Ein Jahr lang lebte sie mit dem Leichnam ihres Mannes.
Kristina wurde als Bub erzogen, lernte reiten, jagen, fechten und legte mehr Wert auf ihre Studien als auf ihr Aussehen. Besonders der Philosoph und Naturwissenschaftler René Descartes – „cogito, ergo sum“ – hatte es ihr angetan. 1649 ließ sie den katholischen Franzosen an den Hof kommen, was im lutherischen Schweden nicht gern gesehen wurde. Noch weniger gern, sahen der Hof und das Volk ihre sexuelle Präferenz, Kristina war lesbisch.
Als Descartes 1650 in Stockholm starb und Kristina sich weiterhin weigerte zu heiraten und einen Erben zu gebären, wuchs der Unwille im Land. Und auch Kristinas Abneigung gegen die Regierungsgeschäfte. Lieber unterhielt sie sich mit ihren gelehrten Freunden und verbrachte ihre Zeit im Theater.
Im Sommer 1654 dankte sie, nach nur zehnjähriger Regierungszeit ab, um sich nach Rom abzusetzen. Der Nachfolger war, wegen Kristinas kategorischer Weigerung zu heiraten, bereits bestimmt, ihr Cousin Karl Gustav regierte als Karl X. Gustav bis zu seinem Tod 1660. Im Film gelingt es ihr durch eine List, dem in sie unsterblich verliebten Karl Gustav den Thron zu sichern.
Kaurismäki konzentriert sich vor allem auf die Liebe Kristinas zur Hofdame Ebba Sparre, die sie deren Verlobten abspenstig gemacht und zu ihrem „Bett-Kameraden“ ernannt hatte. Sarah Gadon ist diese bezaubernde Ebba, die nicht so brennt vor Liebe, Kristina sicher gernhat, doch vor allem dem Willen der Königin gehorcht, wie es einer Hofdame zukommt.
Als Kristine ist die junge, noch unbekannte Schauspielerin Malin Buska zwar niedlich anzusehen,langen wenn sie mit wehender Lockenpracht durch den Wald prescht oder mit dem Florett elegant ihre Cousins besiegt, doch in der Rolle einer selbstbewussten, denkenden Frau und Königin etwas blass. Erst im letzten Drittel, wenn Kristine immer mehr in Bedrängnis gerät, vor Liebe krank, nicht mehr die allseits beliebte Friedenskönigin ist, gewinnt Buska etwas Kraft und Profil. Sei's drum. Ein neues, unverbrauchtes Gesicht ist an sich ein Gewinn für jeden Film.
In einer Nebenrolle ist Martina Gedecke als ihre Tochter hassende Mutter Kristinas zu sehen. Michale Nyqvist ist ein wohlwollender Kanzler und Vaterersatz. Kaurismäki bietet alles auf, was die Fans kluger Unterhaltung vom filmischen Geschichtsunterricht erwarten: Prächtige Kostüme, Kutschfahrten durch die Winterlandschaft, wilde Ritte durch den grünen Wald, tapfer kämpfende Männer, intrigante Höflinge, eine sehr dezente Bettszene und Tränen, Tränen, wenn die Liebesblase platzt und Ebba den einst verlassenen Bräutigam zu heiraten.
Mika Kaurismäki: „The Girl King“, Drehbuch: Michel Marc Bouchard, mit Malin Buska, Michael Nyqvist, Sarah Gardon, Martina
Gedeck. Beim Montréal World Film Festival 2015 wurde Buska als „Best Actress“ ausgezeichnet. Der Film erhielt den Publikumspreis. Ab 5. August 2016 in den Kinos.