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Hermann Nitsch und das Theater

Blick in die Ausstelung. © Theatermuseum

Noch bis zum 11. Jänner 2016 ist im Wiener Theatermuseum die Ausstellung „ExistenzFest“ zu sehen. Im Mittelpunkt steht das o.m. Theater (Orgien Mysterien Theater) des Universalkünstlers. Kuratiert von Hubert Klocker, der über das Perfomative in Nitschs Kunst dissertiert hat, geht man auf gewundenen Pfaden durch das umfangreiche Œuvre des oft missverstandenen Künstlers.

Aktionist und Komponist, Schriftsteller und Sechs-Tage-Spielleiter, Schriftsteller und Regisseur und Ausstatter am Sprech- und Operntheater – trotz der Anfeindungen lässt sich Herman, Nitsch, geboren 1938 in Wien, nicht beirren. Seit 1957 arbeitet er an der Theorie und Verwirklichung seines o.m. Theaters.  Hermann Nitsch, Oedipus. 1970/2014. Partitur auf Relikt. © Sammlung Hummel Wien
"Dabei handelt es sich um ein dramatisches Epos, für dessen vollständige Ausführung der Künstler eine „extraterritoriale“ Idealarchitektur, einen Spielbezirk – mit seinem Wohn- und Arbeitsort Schloss Prinzendorf im Zentrum – entworfen hat. Ab 1963 hat er weltweit in zahlreichen Aktionen und an unterschiedlichsten Orten zentrale Elemente des als Existenzfest angelegten Mysterienspiels vorgestellt,“ erklärt der Kurator.

Klocker sieht seit der 1998 erstmals gespielten Version der sechs Tage und Nächte dauernden Gesamtfassung Nitschs Schaffen „in die Geschichte der visionären, die Kunst erweiternden Werkentwürfe – von Monet bis Turell, von Skrjabin bis Artaud, vom Living Theatre bis Schlingensief – eingereiht“.

Doch eine kunsthistorische Schublade lässt sich für Nitsch nicht finden. Nitsch hat die Gabe der Synästhesie: Er hört Farben, sieht Töne, fügt Malerei und Literatur, Musik und Architektur, Bewegung und Stillstand zu einem Ereignis zusammen. Für Klocker ist Hermann Nitsch deshalb im „Theatermuseum mehr zu Hause als in Museen für bildenden Kunst.“

Hermann Kitsch, 102. Aktion. 2005 Burgtheater.  © Filmstille: Peter Kasperak, Hubert Klocker Am Eindringlichsten erfasst man Nitschs Kunst und seine Intentionen im eigens für die Ausstellung geschaffenen Video-Installationsraum (Nitschs Konzeption hat der Künstler Frank Gassner visuelle umgesetzt). Lange kann man darin verweilen, sich vom Rauschen der Musik umhüllt, dem Farbenspiel und auch konkreten Bildern hingeben.

In Vitrinen findet man die Manuskripte und Partituren, Malerei, an den Wänden Aktionsfotografien und Filmszenen als Dokumentation eines sich immer weiter entwickelnden Gesamtkunstwerkes.
Etwas Fantasie ist allerdings notwendig, um das „ExistenzFest“ in seiner gesamten Fülle zu erfassen. In einem Museum, auch einem Theatermuseum, dampft kein Blut, riecht man kein Fleisch, fließt nicht der Traubensaft, sind die Nebengeräusche ausgeblendet. Die Wucht des Archaischen, der Rausch des ritualisierten o.m. Theaters lässt sich nur ahnen, nicht spüren. Doch diese Ahnung ist es wert, erfahren zu werden.

Theaterbauten erzählen. Wer es nüchterner, realistischer haben will, schlendert durch die kleine Ausstellung im Parterre, die einen Teil der „Geschichte Europas, erzählt von seinen Theatern“ zeigt. Bilder und Modell, auch von utopischen, nicht verwirklichten Theaterbauten aus Warschau, Kopenhagen, München, Ljubljana, London und Wien sind zu sehen. Die Ausstellung ist Teil des Projekts „Europastraße Historische Theater“. Ringtheaterbrand 1881, Lithografie. © Theatermuseum

Carsten Jung, Generealsekretär von PERSPECTIVE – Gesellschaft der historischen Theater Europas, ist der Initiator, die Europäische Union gibt das Geld dafür. Für das Theatermuseum betreut Daniela Franke das Gemeinschaftsprojekt.

Die Ausstellung beleuchtet in neun Kapiteln mit mehr als 250 Exponaten, wie sich die Geschichte Europas von der Antike bis zur Gegenwart in den Theaterformen und Theaterbauten der verschiedenen Epochen widerspiegelt.

„ExistenzFest“, Hermann Nitsch und das Theater, Ausstellung im Theatermuseum, Lobkowitzplatz 2, 1010 Wien. Bis 11.1. 2016, täglich außer Montag 10 bis 18 Uhr.
Am 18.11. führt Kurator Hubert Klocker um 16 Uhr durch die Ausstellung.

"Die Geschichte Europas – erzählt von seinen Theatern", bis 28.3. 2016.