Skip to main content

Tanzquartier – Schwerpunkt „Happiness“

Willkommen im Wellnessbad mit Lageplan. © Le Gac / Tqw.

Was ist das Glück? Wo finden wir es? Wie lange hält es an? Fragen, die kaum beantwortbar sind, wenn, dann von jeder anders. Zwei Künstlerinnen beschäftigen sich ausgerechnet am Nationalfeiertag mit dem Thema. Die Tänzerin und Choreografin Linda Samaraweerová führt uns auf eine Insel, um das Mysterium des Glücks zu entdecken. Die Französin Anne Lise Le Gac lädt ins Wellnesshotel, wo die Besucherinnen ins Koma gestreichelt werden. Zwei unterschiedliche Vorstellungen, die nicht nur das gesuchte Glück verbindet.

Jetzt die Titel im Original, weil ja „Happiness“ viel schicker klingt als Glück, sich auch sehr gut auf Wellness (Wohlbefinden) reimen lässt:
Anne Lise Le Gac im Wellnesscenter mit Video.©  Le Gac / tqw. „La Caresse du Coma ft.*Angel 92 Kcal“ nennt Le Gac den dritten Teil ihrer Reihe „La Caresse du Coma“, dem „ft.*Coach“ und “ft.* Pirat“ vorangegangen sind. Ausgangspunkt, so erzählt sie anfangs, ist ein Wellnesstempel in Kroatien, in dem Gäste Gruppen zugeteilt werden, sie bekommt das Label „Hund“ und ist damit Dog 23. Das Land des Geschehens, so sagt sie nebenbei, hat keinerlei Bedeutung.

Samaraweerová hat sich für „The Endless Island of Absence. Mystery of Happiness” entschieden. Alle die der Einladung des Tanzquartiers in die Halle G gefolgt sind, waren dort und haben, so meine ich, eine Idee vom Glück erfahren. Linda Samaraweerova: "The Endless Island", Blick auf die Hängematten.  © Laura SamaraweerovaSerotonin und Endorphine wurden jedenfalls reichlich ausgeschüttet. 

Die erste Station findet vor der Insel auf der Plattform der Halle G statt. Ondine Cloez – kurze schwarze Hose, rosa Hemd, Schirmkappe – tanzt mit geschlossenen Augen um das Geviert der Plattform: Kleine vorsichtige Schritte, Drehung der Unterarme, Supination, Pronation, Stillstand, weitergehen ohne zu sehen, sanft plätschern die Klangwellen. Das Publikum hat Zeit, sich zu entspannen, im Hintergrund auf der Bühne unten leuchten 50 grüne Hängematten.

Diese darf die Gäste dann besetzen, sich darin ausbreiten, liegen, die Augen schließen. Tonlos flüstert es im Hintergrund. Den Text kann ich nicht verstehen, nicht einmal die Sprache ist für mich zu identifizieren. Egal.Linda Samaraweerová in einer Aufführung für "Occupy the Museum" bei ImPulsTanz 2013. Performance-Installation: "Katbarn" © ImPulsTanz Vermutlich sollen die Worte einschläfernd wirken, zur Entspannung und zum Wandern der Gedanken auffordern oder zu deren Stillstand.
Wunderbare Wohligkeit breitet sich im gedimmten Licht aus. Choreografin Linda Samaraweerová gleitet leise durch den grün schimmernden Hain, versichert sich offenbar, dass es allen wohlergeht. Unhörbar schaukeln die Matten, ich bin auf einer Insel, ganz für mich, wunschlos. Und doch in der Gemeinsamkeit aller hier Träumenden. Ein wohliges Gefühl, bedürfnislos, federleicht im luftigen Bett, auch kein Gedanke beschwert mich. "The Endless Island": Die Videobilder tanzen durch den Raum. © Susanne SchudaEs wird stockfinster, auch das Notlicht wird abgeschirmt. Jetzt Achtung, der Dämmerzustand soll nicht im Tiefschlaf enden. Lichtpunkte huschen über Wand und Decke, es wird wieder etwas heller, irgendwo sehe ich fünf Zwerge, geisterhaft beleuchtet wie in der Grottenbahn. Dann erklingt ein wunderbar tiefer Ton. Die Zwerge wachsen, drei sind Menschen, sie machen die Musik, unisono auf einem Ton mit der Kontra-Altklarinette, dem Cello und der Violine. Die übrigen zwei sind nicht lebendig, es sind Installationen, Figuren, Fetische vielleicht, fremdartig, aber nicht bedrohlich. Abstrakte Bilder tauchen auf, bewegen sich durch den Raum, die Musik verklingt, das Licht wird allmählich heller. Wir müssen unsere Insel verlassen. Das Erlebte, die Gefühle dürfen wir mitnehmen.

Darstellerin Anne Lise Le Gac. © tkwSamaraweerová und Anne Lise Le Gac haben mehr gemeinsam, als auf den ersten Blick zu sehen ist: Samaraweerová arbeitet immer wieder mit dem bildenden Künstler Karl Karner zusammen, diesmal hat sie den bildenden Künstler und Filmemacher Daniel Zimmermann (nadaproductions) ins Team geholt. Le Gac selbst arbeitet gern mit Objekten, lädt ja auch auf eine Insel, eine Wellnessinsel, eine Scheinwelt, die ewiges Leben verspricht. Allerdings ist ihre multimediale Performance (Installation, Skulptur, Video, Film, Text, viel Text, ein wenig Tanz, Schauspiel) recht textlastig. Auf Englisch und Französisch erzählt, zitiert, singt sie und spricht so viele Themen an, dass mir der Kopf schwirrt. Im Kern geht es ihr wohl darum, dass nichts ist wie es scheint, dass sie keineswegs die Absicht hat, irgendwo stehen zu bleiben und die Dinge (oder sich selbst) einzufrieren. Demonstriert wird diese sich wandelnde Materie durch Knetmasse und Kaugummi, durch eine schäumende Flüssigkeit in einer blauen Vase. Die Welt ist für sie „eine große Küche“, in der es schäumt und brodelt, doch „der Körper ist keine Spülmaschine.“ "La Caresse du Coma": Auch Eis kann brennen. © tqwDenke sich dabei jede, was sie will. Irgendwann taucht die Schrift an der Wand auf: „Der Himmel kann warten“. Tröstlich, wozu nach der Ewigkeit gieren, wo wir, wie zu Beginn von Le Gacs Solo ein Überlebender nichts kann außer zu telefonieren – das andere Ende bleibt stumm. Die Dinge gehen, die Gesichter verblassen, nichts ist unveränderbar, doch wir leben. Jetzt.

Ob das die Botschaft ist, weiß ich nicht, jedenfalls ist Anne Lise Le Gacs Performance, auch wenn ich nicht so viel verstanden habe (Kunst muss ja nicht verständlich sein), niemals langweilig und vielfältige Gedanken anregend. Die Frage nach dem Verständnis stellt sich allerdings bei Linda Samaraweerová nicht. Da darf die Performance träumend genossen werden, bei der es zugleich Subjekt und Objekt zugleich ist.

Linda Samaraweerová: „The Endless Island of Absence. Mystery of Happiness”. Konzept Linda Samaraweerová, in Zusammenarbeit mit Ondine Cloez, Laura Samaraweerová, Daniel Zimmermann. Performance Ondine Cloez, Linda Samaraweerová. Musik: Robert Jiša; Musikinterpretation: Susanna Gartmayer, Kontra-Altklarinette, Matthias Fry, Réka Kutas Streichinstrumente. Video & Objekte Susanne Schuda; Licht Victor Duran. Eine Koproduktion von Tanzquartier Wien und KASAL. In Kooperation mit nadaLokal und Studio Matsune. 26. Oktober 2018, 21 Uhr, Tanzquartier.
Weitere Vorstellung 26.10.2018, 18 Uhr. 27.10.2018, 18 und 21 Uhr.
Anne Lise Le Gac: „La Caresse du Coma. fht.* ANGE 92Kcal“Perforamnce & Interpretation: Anne Lise Le Gac. Lichtdesign: Nils Doucet. 26. Oktober 2018, Tanzquartier Studios.
Zweite Vorstellung: 27.10.2018, Tanzquatier Studios, 19.30 Uhr.

http://www.tqw.at