Helmut Korherr: Zwei One-Woman-Einakter im KiP
Zwei Frauen erinnern sich. Zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein können. Die eine, Katia Mann, Muse, Sekretärin, Ehefrau eines großen Dichters, die andere, eine Wiener Filmschauspielerin, die in den 1940er Jahren Hollywood-Karriere gemacht hat, sechs Mal verheiratet war und bald in der Versenkung verschwand. Der Dramatiker Helmut Korherr hat den beiden Damen je einen Mnolog gewidmet. Erika Deutinger ist Katia Mann, Christian Spatzek Hedy Lamarr, geboren als Hedy Kiesler. Ein ebenso unterhaltsamer wie eindrucksvoller Abend im KiP – Kunst im (Café) Prückel.
Katia Mann ist 67, als sie sich 1950 in Zürich einer schweren Operation unterziehen muss. Jetzt sitzt sie im Park der Reha-Klinik und erzählt dem Auditorium aus ihrem Leben. Eigentlich erzählt sie hauptsächlich von ihrem Mann, Thomas Mann, von ihr Tommy genannt. Der ist ihr „erfolgreichtes Kind“, ohne sie fühlt sich der Dichter und Nobelpreisträger hilflos und verlassen. Die sechs Kinder sind in ihren Augen, weniger erfolgreich. Sie musste sie auch vernachlässigen, hatte sie doch mit ihrem Tommy genug zu tun. Manchmal schelmisch, dann wieder ganz ernsthaft, aber niemals pathetisch erzählt Katia aus ihrem Leben, auch von Skandalen und von der „Nazipest“, doch vor allem von ihrem Mann, „dem Thomas Mann“, dem sie sich mehr oder weniger freudig untergeordnet hat.
Die Hedy, „schönste Frau der Welt aus Wien“, war da von ganz anderem Kaliber, eigenwillig, eigensinnig, schwierig, hat sie sich nie untergeordnet, hat ihr Leben genossen, solange sie auf der Karriereleiter oben gestanden ist. Verzweifelt und einsam ist die einstige Diva 2000 in Kalifornien gestorben. In Wien hat sie ein Ehrengrab. 1967, mit 53, gibt sie in ihrem Hotelzimmer in Manhattan ein Interview. Ohne Punkt und Komma stellt sie sich selbst dar, wenn etwas schief gegangen ist, dann waren die anderen schuld – böse Filmproduzenten, falsche Entscheidungen, (angeblich) abgelehnte Filmrollen und zuletzt die Ladendetektive, die sie wegen Diebstahls angeklagt haben. Katia Mann hat ihren um acht Jahre älteren Mann um 25 Jahre überlebt und ist hochbetagt in der Schweiz, wo die Manns nach ihrer Rückkehr aus dem amerikanischen Exil gelebt haben, gestorben. Von beiden Frauen gibt es eine Autobiografie.
Was die beiden verbindet ist einerseits ihre jüdische Herkunft, andererseits jedoch ihre Gegensätzlichkeit. Als das Ehepaar Mann ab 1941 in Kalifornien gelebt hat, hätte Katia bei der einen oder anderen Gelegenheit Hedy durchaus begegnen können. Sie hätten nichts miteinander anfangen können.
Dieser Unterschiedlichkeit, trotz der Herkunft beider Damen aus einem großbürgerlichen Milieu, werden Deutinger und Spatzek, der auch Regie geführt hat, mehr als gerecht. Christian Spatzek ist eine nahezu verschlagene alternde Diva, ohne jegliche Selbstdistanz oder Ironie. Erika Deutinger lässt in ihrem lässigen Geplauder die einstige Schönheit der jungen Katia, geborene Pringsheim, durchschimmern, ist ganz Dame, die die Schwächen ihres Mannes mit Ironie betrachtet und sich für die eigenen entschuldigt.
Korherr, der sich immer wieder mit Frauenbildern (von Adele Sandrock bis Maria Montessori, von Bertha von Suttner bis Magda Goebbels) auseinandersetzt, orientiert sich an den Fakten, ohne ins biografische Dozieren zu geraten und gibt Deutinger und Spatzek einen flüssigen Erzählton, der die beiden Frauenfiguren höchst lebendig erscheinen lässt. Wobei Christian Spatzek in der Travestie durchaus auch komisch sein darf. Erika Deutinger hat den ernsthafteren Part übernommen und eine wahre Textflut zu bewältigen.
Ein vergnüglicher und auch nachdenklich machender Abend.
Helmut Korherr: „Zwei One-Woman-Einakter“. mit Erika Deutinger als Katia Mann und Christian Spatzek als Hedy Lamarr, Uraufführung. Am 29. September 2016, KiP – Kunst im Prückel.
Weitere Vorstellungen: 1.– 6., 11.– 13. Oktober 2016.