Marie Antoinette: Glänzendes Debüt für Yakovleva
Ein Ereignis am Ende der Wiederaufnahme von Patrick De Banas zweiaktigem Ballett „Marie Antoinette“ in der aktuellen Neufassung. Maria Yakovleva debütierte in der Titelrolle und gab dem Abend unerwartete Intensität und Tiefe. Ein Debüt feierten, zurecht, auch Kiyoka Hashimoto, wie Yakovleva Erste Solotänzerin, als Schatten, Géraud Wielick als Das Schicksal . Auch zwei Corps-Tänzerinnen reüssieren in Solorollen. Oxana Kiyanenko tanzte zum ersten Mal Madame Elisabeth, die Schwester Ludwig XVI., Erika Kovoácevá debütierte als Maria Theresia.
Yakovleva weiß als Marie Antoinette von Anfang an, dass ein grausamer Tod auf sie wartet. Auch schon unter den Augen der Mutter Maria Theresia ist sie ein ernsthaftes Mädchen und auch das Verhältnis mit Axel von Fersen (Alexandru Tcacenco tanzt ihn brav, zeigt lediglich in dem zierlichen Menuett mit seiner Geliebten zu Vivaldis Mandolinenkonzert etwas Farbe) scheint eher die Suche nach Abwechslung und Trost zu sein als ein Liebesrausch.
Ludwig, der König, geht ihr auf die Nerven, seine Eifersucht, seine kindische Untätigkeit macht sie wütend. Wenn Yakovleva die Knie hebt, meine ich, sie verpasst ihm gleich einen ganz unköniglichen Pferdekuss (das ist ein noblerer Name für den österreichischen „Knödelreiter“), dann aber besinnt sie sich wieder und schmiegt sich liebevoll an ihren Mann. Der wird von Roman Lazik (nicht zum ersten Mal) mit vielen Facetten getanzt und wie seine Partnerin beherrscht er perfekt De Banas Bewegungssprache. Wunderschön der Pas de deux des verzweifelten Paares zur Arie des Anastasio aus Antonio Vivaldis Oper „Il Giustino“. Doch Yakovlevas Marie Antoinette spürt jeden seelischen Hieb, den das Schicksal (unerbittlich und mitleidlos im Ausdruck tanzt ihn Géraud Wielick technisch fulminant) ihr durch sein Auftauchen versetzt im ganzen Körper. Der Tod hat sie umarmt, schon lange bevor sie sterben muss.
Eine Überraschung ist auch die Erste Solotänzerin Kiyoka Hashimoto als Schatten der Marie Antoinette und Begleiterin des Schicksals. Die liebliche Prinzessin und stolze Königin hat auch ihre dunklen Seiten. Hashimoto tanzt diese mit ungeahnter Energie und eindrucksvoller Präsenz. Präsent und fehlerlos ist auch Oxana Kiyanenko als Madame Elisabeth, der Schwester des Königs, die wie eine Taube zwischen den Eheleuten flattert, um zu beruhigen, zu trösten und aufzuheitern. Doch das Schicksal bleibt auch ihr nicht erspart. Es müssen alle sterben.
Der zweite Akt ist durch kaltes blaues Licht nur mäßig erhellt und die Tänzer_innen (Yakovleva, Lazik, Kiyanenko) strahlen spürbar, Angst, Verzweiflung und Todesahnung aus, dass auch mir kalt ums Herz wird. Da muss ich mich erinnern, dass diese Figuren schon lange tot sind und nur noch ihre Avatare vom grausamen Ende erzählen. Rotglühend gehen sie dem Schafott entgegen.
Um die Umklammerung der Tragik etwas zu lockern, eine kleine Pointe in dieser bemerkenswerten Aufführung: In der ersten Reihe der Höflinge tanzt ein Debütant, der schon König war. Nach seinen Erfolgen als Ludwig XVI ist Jakob Feyferlik an diesem Abend wieder ins Glied zurückgetreten. Lange wird er nicht mehr dort bleiben.
Die Musik von Georg Telemann, Antonio Vivaldi, W. A. Mozart, Johann Christian Bach, Jean-Philippe Rameau, Jean-Fery Rébel und der vortrefflich gelungenen Auftragskomposition von Carlos Pino-Quintana, die ohne die Ohren zu malträtieren Furcht und Schrecken evoziert, hat kein Orchester und keinen Dirigenten vonnöten. Sie kommt aus dem Lautsprecher und der war bestens adjustiert.
Ein Abend der Superlative, der klar macht, das nicht nur technisches Können und tänzerische Routine die Qualität eines Abends steigern, sondern auch persönliche Ausstrahlung und Lebenserfahrung. Was die Freude am Schmelz der Jugend, an der Energie und Tanzlust der aufstrebenden Ballerinen und Ballerinos keineswegs mindert. Den Soltänzer_innen und de mals Hofstaat und Revolutionäre tanzendem Corps spende das Volksopern-Publikum freudigen Applaus. Die beiden Protagonisten, Maria Yakovleva und Roman Lazik wurden lautstark bejubelt. Zurecht!
Patrick De Bana: „Marie Antoinette“, Ballett in zwei Akten (Neufassung 2015/16), Wiener Staatsballett in der Volksoper, 21. Juni 2016.
Letzte Vorstellung dieser Serie am 27. Juni in derselben Besetzung.