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ASHLEY LOBO: „YAMA“ – TANZLIN.Z

"Yama", Uraufführung mit Tanzlin.z

Der indisch-australische Choreograf Ashley Lobo hat mit dem Ensemble von Tanzlin.z sein Tanzstück „Yama“ einstudiert. Die Uraufführung der vielfältigen Reflexionen über den Tod, das Loslassen, das Reinigen und Verändern ist am 25. Mai in der BlackBox des Musiktheaters Linz lautstark bejubelt worden.

Yama ist der hinduistische Herrscher des Totenreiches, ein Seelensammler. Er kommt mit dem Tod eines Menschen und holt sich seine Seele, Der Totengott Yama mit seinem Stab (Danda). Zeichen der Macht, Stütze und auch zur Strafe benutzt. © wikiepedia.um sie in das andere Reich zurückzubringen. Für Ashley Lobo, einen der führenden Choreografen in Indien für zeitgenössischen Tanz und als Choreograf zahlreicher Bollywood-Filme erfolgreich, ist der Begriff „Tod“ vieldeutig. Auch die Veränderungen im Leben jedes Menschen können als Tod und Geburt interpretiert werden. In diesen Zwischenphasen muss gereinigt und losgelassen werden. Das machen in der Vorstellung schabende und kratzende Reisbesen deutlich.

Lobo gibt in seinen Kommentaren nur über das Grundgerüst seiner Choreografie Auskunft und überlässt Assoziationen und Deutungen dieses plotlosen Balletts den Zuschauer*innen. Mit dieser befreienden Bemerkung kann man sich vorbehaltlos auf die immersive (Achtung: Trendbegriff, passt aber gut, echt) Vorstellung einlassen. Yu Teng Huang hat die Rolle des Totengottes Yama übernommen.

Ashley Lobo hat einen Teil seiner Ausbildunga am Bodenwieser Dance Center (bei Gertrud Bodenwiesers Schülerin Margaret Chapplie) in Australien genossen, so schöpft er nicht nur aus dem Bewegungsrepertoire der Wiener Tanzmodenre, sondern wendet auch die von ihm entwickelte, auf der Yoga-Atmung basierende, Prana-Paint-TechnikTM an. Die Tänzerinnen und Tänzer von Tanzlin.z erleben ein neues Bewusstsein für den Körper, überlassen diesem diie Führung, und sind dadurch zu völlig neuen, den Körper streckenden und dehnenden Bewegungen fähig. In den Gruppenszenen tanzen sie synchron, doch im Detail individuell. Die Tänzer*innen hören auf ihren Körper und lassen ihre eigenen Bewegungen zu.

Auf der mit dunklen, glitzernden und durchlässigen Seilen begrenzten Bühne ist mit weißem Sand ein Labyrinth gemalt. Durch die Yoga Atemtechnik sind die Tänzerinnen und Tänzer zu ungeahnten Bewegungsabläufen fähig.Allmählich erscheinen die Tänzer*innen und zerstören, auf dem knirschenden Sand rutschend, rollend und tanzend, das Muster. Ein Theatertrick natürlich, die Sandkörner sind aus Gummi, die Füße sollen nicht bluten. Der begleitende Sound, rhythmisch arrangierte Töne von brechenden Knochen, brennendem Holz, Krachen und Schaben, ist in Zusammenarbeit mit Studierenden der Kunstuniversität Linz (Zeitbasierte und Interaktive Medien, Univ. Prof. Mag. Art. Joachim Smetschka) geschaffen worden. Er unterstreicht, so wie die wiederholten Bewegungsmuster, das Ritual von Werden und Vergehen, Auf einen Tod kann  eine Geburt folgen: Rutsuki Kanazawa mit Kasija Vrbanac und Julie Endo.Anfang und Ende. Hans Winkler, der auch die Bühne gestaltet hat, hüllt die Tänzer in grau schimmernde, durchscheinende seidige Kutten, die durch das Licht (Design Philipp Mixa) mitunter hellblaue Muster erhalten. Lobo teilt den Tänzer*innen keine Rollen und kein Geschlecht zu, alle sind gleich, Lebende und Tote, Geister, Seelen geholt von Yama, verzweifelt oder glücklich.

Einzig der aus Taiwan stammende große Tänzer Yu-Teng Huang hat eine definierte Rolle, er ist Yama, der Gott des Todes, aber auch der Entdecker eines jenseitigen Paradieses. Ausgestattet mit einer Stirnkamera, die verschwommene Schattenbilder auf die Leinwand wirft, schleicht er lautlos in die Gruppe, holt sich einzelne heraus, ist weniger böse als unheimlich, wirkt auch tröstend. Als Attribut trägt er einen Besen mit sich, Säubern, Aufräumen, Aufkehren scheint seine Aufgabe und sein Anliegen zu sein. das Geräusch der scharrenden Füße auf dem Sand vermischt sich mit dem Krachen und Splittern des elektronischen Sounds.Später gesellt sich eine Assistentin zu ihm, schabt ebenfalls mit dem Reisig über den Boden. Die Tänzer biegen sich, dass man meint, die Muskeln reißen, die Knoche krachen zu hören, fliegen im Pas de deux über die Bühne, brechen nieder, werden hinausgetragen, kriechen lautlos durch die Vorhangteile wieder auf den mahlenden Sand. Es gibt wunderbare Momente der Stille, in denen die Tänzer einfach dastehen, die Arme und die Gesichter zum Himmel strecken, der Körper unbewegt, mit den Händen streichen sie über die Augen, Kayla May sorgt, wie das gesamte Ensemble, mit dem Besen für die Reinigung. führen das bereits bekannte Ritual aus. Am Ende fegen alle ratschend, stampfend, knackend und knisternd den Sandboden. Ein beeindruckendes Ritual der Säuberung, allerdings meiner Ungeduld etwas zu lange. Doch warum sollte Ashley Lobo eine Ausnahme in der Szene sein, vielleicht will er dem Publikum (mir) auch Geduld lehren.

„Yama“ ist kein trauriges Stück, eher ein rätsel- und geisterhaftes, dem man sich aber beruhigt ausliefern kann, um seinen Gedanken nachzuhängen und über die großartige Leistung von Tanzlin.z zu staunen.

Ashley Lobo: „Yama“, Choreografie und Inszenierung: Ashley Lobo. Bühne und Kostüme: Hans Winkler; Sounddesign & Video: Philipp Feichtinger, Marlene Reischl; Lichtdesign: Philipp Mixa; Dramaturgie und Produktionsleitung: Katharina John. Darsteller*innen: Das Ensemble Tanzlin.z. Uraufführung: 25. Mai 2019, BlackBox Musiktheater.
Nächste Vorstellungen: 29., 31. Mai; 4., 7., 9. Juni 2019. Einführung jeweils eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn in der BlackBox.
Sakher Almonem fotografierte die Hauptprobe am 17. Mai 2019.